Also ich war ja letztes Semester in diesem Genderkurs..Ja ja, da waren mal so richtige Hardcorefeministinnen. Ich habe ein Problem mit Labels. Sowas ist mir einfach zu eingeschränkt. Mir ist doch egal ob Mann oder Frau, Schwarz oder weiß. Ich bin einfach nur Ich, und so will ich gesehen werden.
Ich habe nun schon mit vielen Frauen gesprochen, welche von ihrem Unbehagen gegenüber ‚den‘ Feminismus berichten. Klaustrophobisch sehen sie die riesigen Theoriegebilde wie Wände auf sie zubewegen. Die Feministinnen, ja die warten schon mit der Zwangsjacke auf dich, damit du endlich eingewiesen wirst. Du Ungläubige, Du! Doch was ist dieses ungeschriebene Manifest der Regeln, von denen sich die nicht feministischen Frauen so dringlich distanzieren wollen? Verwechseln sie Alice Schwarzer mit den restlichen Feministinnen?
Doch zuerst eine Analyse, der Forderungen der Ich-finde-Feminismus-ganz-toll-aber-irgendwie-kann-ich-mich-nicht-damit-identifizieren-Fraktion. Sie denken, sie müssten um ihre wohlbehütete ›Weiblichkeit‹ fürchten. Zu dieser gehören: Komplimente in kurzen Hosen bekommen und sich hinterher bedanken. Kreischend aus der Toilette rennen, weil sich eine Spinne hinterm Waschbecken versteckt und daraufhin seinen Freund in Babysprache fragen, ob er’s wegmacht. Mal richtig einen auf Barbiegirl machen und mit Platinhaaren und pinken Stillettos im ASPHALT auf dem Tisch tanzen?
Ihr habt Angst von anderen Feministinnen gemobbt zu werden, weil ihr mit eurem Verhalten das Patriarchat doch nur unterstützen würdet. Wenn ihr nicht sowieso als Verräterinnen exkommuniziert werdet, müsst ihr mindestens einmal Ecke stehen und beim Nachsitzen Zitate aus Das Andere Geschlecht an die Tafel schreiben. Wozu sich also den Stress geben? Nun, ich habe eine Botschaft: Feministinnen, die so etwas mit euch machen sollten, mit denen solltet ihr vielleicht auch echt nicht abhängen. Es sollte nicht um Verbote oder Gebote gehen. Wenn ihr euch als Frau identifiziert (bzw. mit der LGBTIQ* Community), habt ihr dann nicht ein Recht auf Mitsprache? Feministin zu sein ist kein Dr. Titel, der einen nach Plagiatsskandal wieder aberkannt wird. Feminismus geht um Freiheit. Maximale Freiheit. (Nein, ich möchte euch nicht zum Neoliberalismus bekehren). Wenn ich nicht im Mini in meinem Viertel rumlaufen kann, ohne eklige Sprüche von der Seite hören zu müssen, dann werde ich in meiner Freiheit beschnitten. Wenn von einer Muslima verlangt wird ihr Hidschāb für den Lehrerinnenjob abzulegen, so wird sie auch in ihrer Freiheit beschnitten. Ja ich werde auch dann in meiner Freiheit beschnitten, wenn mir bei einem Problem nicht zugehört wird, weil Man(n) mir gerade dafür die Kompetenz abspricht. Judith Butler schrieb, je besser wir unser Geschlecht performieren, desto mehr werden wir dafür gelobt – umkehrt für jede Abweichung sanktioniert. Ist nun die Idee so sehr von seiner Genderrolle abzuweichen, bis diese einfach ins Nichts zerfließt? Ich denke nicht, dass Butler das so direkt sagen wollte, auch wenn sie bekanntermaßen von einer Umdeutung (Resignification) von Zeichen spricht.
Das Problem ist doch eher, dass Zeichen die weiblich konnotiert sind bereits das Verderben anhaftet. Der Beruf des Sekretärs war hoch anerkannt, bis vornehmlich Frauen eingestellt wurden und es plötzlich nur noch SekretärIN hieß. Daher meine Zwischenhypothese: Pink, Stilettos und Rumkreischen ist mega geil! Und das darf uns keiner absprechen oder wegnehmen. Die Praxis der Travestie ist unter anderem eine Hommage an jegliche Eigenschaften, die weiblich codiert sind. Nur ist der springende Punkt, dass wir weder darauf beschränkt sind nur diese Dinge zu sein noch müssen wir uns wie die schüchterne Milch hinterm Baum verstecken.
Warum fordern nun Feministinnen von diesen Verhaltensmustern abzusehen – und sich vielleicht wie Männer zu verhalten? Einfach: Mehr Macht. Denn mehr Macht = mehr Freiheit. Es ist leider wahrscheinlicher keinen ekligen Catcall zu erhalten, wenn man in langen, weiten Hosen unterwegs ist. Im sleeken Blazer wird einen doch eine Kompetenz mehr zugesprochen als im engen Mini. Diese Idee findet sich jedoch nicht nur bei manch linken Feministinnen, sondern auch bei konservativen SüdstaatlerInnen aus der Beauty Pageant-Szene: Verhält sich eine Frau angemessen, nimmt Haltung (Poise) an, artikuliert sich gut – d.h. verhält sich einfach wie die Queen (of xxx) so wird sie auch ernster genommen. Ergo: Frauen werden ernster genommen = weniger unterdrückt, wenn sie sich einfach mal benehmen würden.
Und plötzlich scheinen links und rechts doch nicht mehr so weit auseinander zu liegen. Sich einfach nicht entsprechend seines Genderklischees zu verhalten reicht nun mal nicht. Klar möchten Feministinnen wie Butler die Binarität dekonstruieren, Kategorien öffnen, indem wir sie durcheinanderwirbeln. Um die wahre politische Aktion hinter der Umdeutung verstehen zu können, darf man sie jedoch nicht auf eine umgekehrte Psychologie reduzieren. Alle Klischees meiden, sich angepasst verhalten kann Binarität verhärten: Wenn wir fette Blazer mit Schulterpolster tragen, so dann nur um eine männliche Eigenschaft als Vehikel für mehr Einfluss zu benutzen. (Okay es sieht auch geil aus – aber fühlt ihr euch nicht aus ’schlauer‘ mit Schultern?) Das ändert jedoch überhaupt nichts daran, dass eine männliche Eigenschaft mit Macht assoziiert wird, sondern bestätigt dieses Verhältnis nur. Eignet sich die Frau diese Eigenschaft dazu an? Gegenfrage: Sind breite Schultern irgendwann mal unmännlich und super weiblich geworden?
Es ist somit gar nicht so klar, dass wir mit der Erfüllung von Genderklischees patriarchale Strukturen verhärten. Auf der anderen Seite kann das durchaus passieren. Es passiert relativ präzise dann, wenn dein Klischee dein einziges Ticket zu einem bestimmten Ort in Raum und Zeit ist: Du wirst mit Tube-Top in der Clubschlange vorgelassen? Und dann wird dir auch noch ein Drink nach dem anderen ausgegeben? Du kannst einfach alles mit deinem hübschen Gesicht bekommen? Du schwimmst in maximaler Freiheit? Naja frei, klar. Aber nur innerhalb deines Klischees. Man hält dich für dumm? Bist ja auch blond. Du weißt schon, zu was du gut bist. Am Ende der Clubnacht bist es vielleicht nicht mehr du, die frei darüber bestimmt was du willst.
Es ist wirklich sehr schwierig umzudeuten, d.h. eine aktive Praxis zu schaffen, in der sich Bedeutungen wandeln. Und wie schon Derrida warnte, können wir die Future niemals kennen. Offensichtlich wäre es dem Feminismus nicht besonders zuträglich einfach fröhlich mit unseren Genderrollen fortzufahren. Aber bitte liebe Ich-kann-mich-nicht-mit-dem-Feminismus-so-richtig-identifizieren-Fraktion: Feminismus heißt nicht, sich Dinge zu verbieten, oder sich verstellen zu müssen. Es bedeutet das zu erhalten, was Männern stets zustand und noch viel mehr. Es gibt keine Formel, um mit den ganzen Klischees klarzukommen, es kann aber nicht sein, dass wir einfach um diese wie eine rote Boje herumschwimmen, oder uns beim drohenden Untergang an sie klammern.
Bild: Mrs. Don Plauze – Karler