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Gedanken und Impulse

26.

12.07.2019

Wie man Schrifsteller lesen sollte – man muss ihren Weg gehen, nicht nur in ihre „Fußstapfen“ treten und denselben Weg gehen, sondern auch denjenigen, den sie sahen, wenn sie in das Dunkel der Landschaft gedacht haben, und dort einen anderen Weg, den Weg vermutet und sich gewünscht haben. Auf diesem erdachten Weg muss man ihnen folgen, mit einem Blick zurück zu ihnen, deren Füße ihren Weg unter sich spüren und zugleich und in Verbindung damit, den anderen Weg – herbei – reflektieren.


25.

12.07.2019

Über Epigonentum – Wirft man mir je das Epigonentum vor (wofür es jemanden bräuchte, der mich liest), so würde ich antworten (wem eigentlich?): Ich scheue nicht ein Epigone zu sein; wer es von sich weisen würde, hat nur Angst, dass er nicht selbst die großen Gedanken hatte, und hatte sie vielleicht auch nie! Der versucht zu verschleiern, dass er es doch ist; der hat nie begriffen wie Philosophie und Literatur funktionieren – geschichtlich schon gar nicht. Fort mit den „großen Denkern“, fort mit den „großen Ideen“! Welch maßlose Überschätzung, die meist zur Selbstüberschätzung wird! Alles hatte seine Vorbilder! – Nichts tritt aus, aus dem Rad der Ideen, dem soziologischen Umfeld, dem Einfluss der eigenen Regalen! Herausragend war immer der treffende Geschmack, die richtigen Gedanken zur richtigen Zeit herunterzubringen vom Dachboden der Geschichte – und abzustauben. Erst das macht die Gedanken zu dem was wir heute „groß“, „wichtig“, „entscheidend“, „revolutionär“ nennen. Und so ist das einzige, was sich hoffen lässt und was die erfüllte Hoffnung aller „großen Persönlichkeiten“ ist – auch selbst einmal dort vom Staub befreit zu werden – als Epigone, gefunden vom Epigonen.


24.

12.07.2019

Das „Verbrechen“ schlechthin – Wenn Nietzsche über die Kulturen schreibt, dass ihre Strafen und Gesetze immerzu das treffen sollte, was der Kultur am Fremdesten ist, so haben wir heutzutage eine interessante Entwicklung, wenn man die letztverabschiedeten polizeilichen Gesetze und Strafen betrachtet: Nicht mehr die fremde Tat, sondern das Fremd-Sein wird zum Verbrechen ohne Vergleich. Agamben sagte es bereits: Straffläche wird das nackte Leben! – Davor aber wird die nackte Existenz des Fremden Strafanlass!


23.

12.07.2019

12.07.2019

Das modernste Geständnis – Unsere Kultur ist die Kultur des Geständnisses, wie Foucault schreibt; der Selbstoffenbarung und -erforschung gegenüber dem Anderen. Was erst in der Beichte noch der Pfarrer, in der Psychotherapie dann der Therapeut war, ist heute die gesamte Gesellschaft im Internet. Die modernste Form des Geständnisses ist das Soziale-Netzwerk. Erinnerung und Gedächtnis, die für die Schuld und das Geständnis einst so wichtig waren, werden in Zeiten der zeitgleichen Dokumentierung und Offenbarung des Selbst überflüssig. Der Mensch wird von einem Tier des Gedächtnisses und Geständnisses, zu einem Tier des Vergessens, das zugleich die Herde und ihr Medium des Internets zum Archiv des Selbst werden lässt. Der Post wird zur neuen Seelenreinigung. Und so verliert das Individuum seine Erinnerung, macht sie obsolet; die Netzgesellschaft fängt das allumfassende Geständnis auf. Das Modernste daran? – Für immer!


22.

07.06.2019

Was ist „wahre Kunst“? – Den Schleier, den die Kunst bei Nietzsche über das Ureine, bei Benjamin über die Wahrheit legt, erzeugt – folgt man Nietzsche, wobei Benjamin ihm zustimmen würde – ein Nebeneinander von dem Drang zu schauen und dem tieferdringen – wollen, ohne es zu können. Diese wahre Kunst finden wir in Darstellung bei Kafka: Das Gefühl, das bei seiner Lektüre entsteht, lässt sich daher eben so treffend mit Nietzsches Metapher für dieses Zusammenkommen beschreiben: Die Dissonanz (der Musik).


21.

07.06.2019

Die Entfremdung des Cinemaxx – Man nehme jeden x-beliebigen Film, der heute in den großen Kinos läuft (meist Action-Filme oder Tragik-Komödien). Allesamt sind sie inhaltlich und vor allem im Schauspiel durchaus einfach und flach gehalten. „Ein Spaß für die ganze Familie“. Was in den Anfängen des Films zur Entfremdung des Schauspielers von sich selbst geführt hat, war, dass er plötzlich nicht mehr für das Publikum, sondern für einen „Apparat“ gespielt hat, wie Benjamin es nennt. Heutzutage ist es das niederste Niveau der Unterhaltung und dem höchsten des Bedürfnisses danach, dass sich mit monetären Mittel der Unendlichkeit paart, und so die Kunst des Films noch mehr in den wirtschaftlichen Bann zieht. Die besten Schauspieler der Welt – oder des Marktes, werden in Inhalten platziert, die keinerlei darstellerisches Können fordern. Aus Geldgründen entfremdet der Schauspieler sich selbst von seinem Talent und damit von sich – er will und muss es… – Der Apparat, der früher das gefilmte vor das Publikum brachte. Vor ein Publikum, in einen Kinosaal. Noch war es ein gemeinschaftliches Gelächter, dass das Publikum – erkennbar – zur Masse fügte. Heute wird die Masse wieder geteilt, zurück in den privaten Raum des Internetzugangs, die Masse tritt aus der Öffentlichkeit der Unterhaltungsindustrie aus. Der Begriff der Masse erlebt eine Abstraktion.


20.

07.06.2019

Zeit und Kritik – Die Kunst steht in einem korrelativen Verhältnis zur Zeit. Sie ist zugleich Phänomen und Ursache einer Epoche und vice versa. Epochen definieren sich durch ihre Art Wissen zu formen, den Diskurs zu strukturieren – dies ist auch die Aussage der Kunst. Damit rückt die Wahrnehmung ins Zentrum einer Epochenbestimmung. So stellt der Film die veränderte Wahrnehmung einer beschleunigten Zeit der Moderne dar, ist zugleich Teil der Epochenbestimmung und sein Symptom. Doch wird der Film, so etwa von Benjamin, wie die Stadt von Simmel mit Blick auf ihre Schock-Wirkung, die Erzeugung einer Überforderung betrachtet und bestimmt. Der Zuschauer war vom Film als Kunstform in seiner Wahrnehmung völlig überfordert, konnte sich keineswegs der Kontemplation darüber hingeben – also wie könnte er Kritik an der Kunst üben? Schließlich wird sich die Wahrnehmung an die veränderte Kunstform gewöhnen. – Und so wird ihr Kritiker erst möglich! Und wird auch die Kunst erst dadurch möglich?


19.

07.06.2019

Der Gebrauch des Exzesses – Foucaults Interpretation der platonischen Erotik als Ästhetik der Existenz, als Ausrichtung der Begierde, der Liebe auf die Wahrheit, findet sich bei Bataille wieder. Was so weit weg erscheint, ist doch sehr ähnlich. In der Selbstreflexion, dem Blick auf seine eigene Begierde und in der Liebe zur Wahrheit im Objekt der Begierde, dem Partner, der zugleich Subjekt der Begierde ist – wird die Wahrheit erkennbar, erhält die Seele die Flügel, um wieder zur Schau der Ideen aufzusteigen. Was bei Foucault noch Liebe, ja Begierde heißt, führt Bataille konsequent zu Ende und wirft alle Aufwertung des Lebens und jede Mäßigung der Verschwendungssucht über Bord. – Der Exzess ermöglicht die Transzendierung des Ichs, die Überschreitung der leiblichen Grenzen hin zur Wahrheit! – Hin zum Tod!


18.

07.06.2019

Blind vor Liebe – „Die Sexualmoral der alten Griechen muss von der Christlichen unterschieden werden“ – Diesen Irrschluss schuldet Foucault seinem Versuch krampfhaft methodisch an dem Credo der „geschichtlichen Diskontinuität“ festzuhalten. Das Denken über die Liebe der Griechen, ließ ihn blind werden vor Liebe zu ihnen. Doch führte dieser Eros ihn nicht zur Wahrheit. Die Begründung: „Das Moralsubjekt im alten Griechenland konstituiert sich anders, individuell, seinem Stand, seiner Position in der Polis, gemäß.“ – Bereits hier werden wir, die wir die allgemeine Moral noch in der persönlichen wittern, aufmerksam. „Der untere Stand der Lasterhaften wurde daher von der Moral der tugendhaften, vernünftigen hohen Bürger beherrscht – zu ihrem Besten“. Die geschichtliche Kontinuität springt einem doch geradezu ins Auge. Während die platonischen Ideen, die Wahrheit, das Gute zu der göttlichen Wahrheit, zu Gott wurde, wurde auch die Vernunft vergöttlicht. (Dieser Gedanke hat die Freiheit so tief als Moralgläubigkeit vergiftet, dass selbst Kant noch die Vernunft bei Gott sucht – Nein! zu finden meint.) Was passiert nun im Kontinuum der Moral? – Der höchste Stand zieht in den Himmel, alle Menschen fallen in den niederen! – Einem „Genealogen“ hätte man diesen Schluss doch zugetraut…


17.

04.05.2019

Der einzige Gefährte – Wir bemerken ihn nur, weil er nicht zu nahe ist, weil er noch nicht ganz bei uns steht. So lange wir leben, hält er wie der eigene Schatten ein paar Schritte Abstand und ist doch immer mit uns verbunden. Nur einmal können wir ihn berühren und dann für immer. – Nur in wenigen Momenten ist er so nahe, dass wir ihn nicht mehr sehen, wenn wir uns drehen und wenden, er steht zu nahe, so dass er aus dem Blick und Bewusstsein gerät: In Momenten des sexuellen Exzesses –


16.

04.05.2019

Die wahre Liebe – Grausam ist sie und zugleich die völlige Hingebung an den Anderen – an das, was er sein könnte, was er sein muss: das amor fati – des Gegenübers, das sich mit dem Eigenen unweigerlich verknüpft weiß. Sie drückt sich aus in der Grausamkeit, die den anderen herausholt aus sich selbst, um über sich selbst zu kommen; die das Leiden an sich selbst fordert – dabei durchmischt mit dem zärtlichen Blick des Hasses; sie erklärt den Krieg, sie ist feindlich und brutal – auf die möglich sanfteste Art – ohne Sanft bleiben zu können. Sie will das andere Wesen sich selbst geben – nicht es besitzen. Sie ist daher in Wahrheit das einzig Unegoistische des Lebens.


15.

04.05.2019

Ressentiment heute – „Dem Ressentiment der Schwachen, Ohnmächtigen des Sklavenstandes ist mit Härte, Stärke und edler Gesinnung zu begegnen“, so sagte ein Möchtegern-Aristokrat. – Noch immer sind es die Schlechtweggekommenen, Ohnmächtigen, die den unauflösbaren Groll verspüren; wieder sind wir an der Schwelle zur Moralrevolution, zum „Sklavenaufstand in der Moral“, die man als Alternative ausgibt. Es droht aber nicht wie in der Analyse des Möchtegerns die Verfeinerung, der Verfall des Leibes, die Lebensverneinung, sondern die Verrohung, die Unmenschlichkeit, die vermeintliche Härte und Stärke einer hoffentlich noch nicht vergessen Zeit voll kleinerer Bärte… Zwei Gruppen wird heute mit der Wertung als „Böses“ geschmeichelt. Den Stärksten, nach unserer Verfassung, und den Schwächsten, die aus dem Bewusstsein – selbst dem „Linken“ – als Verlierer der Globalisierung und aus jedem Blick geraten: so scheint es, wenn man die Sprache sieht, die sich durch Hinter- und Falltüren ihren Weg in die Salons der Weltbühne bahnt.


14.

04.05.2019

Die heutigen „Briefe“ – Briefe sind zu allen Zeiten Spiegel von Stil und Geist einer Generation. Beides ist der Beschleunigung der Zeit unterworfen. Wo bleibt noch Zeit für den langsamen Geist und den langsamen Stift, der sich für Worte senkt auf ein Papier, das noch einmal der weit Entfernte in seinen Händen hält, der verfolgen kann wie sich die Gedanken in unleserlich werdenden Zeichen und Strichen in sich selbst verlieren, in sich selbst spazieren gehen. „Briefe, die schriebt heute keiner mehr“, möchte man sagen, entgegen jeder Propaganda der Postbüros. Ein genauerer Blick genügt, um zu erkennen, dass dem nicht so ist. Auch der Brief greift die Hand der Beschleunigung des Lebens. Was erst die Email war, die schon aller Farbe und Haptik entbehrte, die die Zahl der Sinneseindrücke aus Zeitgründen auf den Einen, „Wichtigen“ reduzierte, sind nun die schnellen Kurznachrichten, die selbst auf die Sprache und ihre leichte, beugsame, behutsame Ordnung keine Rücksicht und Vorsicht mehr nehmen müssen. Das Individuum kann sich nun hinter elektronischen Wänden verstecken, kein zu langer, zu ausgefallener, zu ungenauer Strich wirft die innere Stimmung im Moment des Niederschreibens auf den anderen zurück. An die Stelle der geheimnisvollen Kaligraphie, die aus dem Innersten zu kommen scheint, ist der „Smiley“ gerückt, der den Ausdruck vereinheitlicht, mit denen jeder etwas ausdrücken kann – womit dadurch niemand etwas ausdrückt. Er trägt das Gesicht eines jeden, jeder nimmt ihn als sein Gesicht, er ist die Gestalt der entindividualisierten, demokratischen Empfindung. Nennt man diese Aussagen „konservativ“? Von noch neueren Entwicklungen möchte ich hier lieber schweigen –


13.

04.05.2019

Das Böse – Bei Bataille wird es zum Guten durch die Verschwendung, bei Nietzsche durch die Nützlichkeit, und doch verstehen sich diese beiden Geister – wenn auch nicht in der Erotik.


12.

25.01.2019

Was ich aus Batailles Blau des Himmels lernte – Menschen, die man liebt, können zu Gott werden, der sich bei jedem Kommen vor dem Blau des Himmels einer Fliege gleich abzeichnet. Oder zu Hades, dem Teufel persönlich, der aus dem Sarg entsteigt, welcher für einen selbst bestimmt war und einen mit Angst erfüllt.


11.

25.01.2019

Nietzsche geschlagen mit den eigenen Waffen – Nietzsches Unsicherheit, die Bestätigung, die ihm fehlte, die er nie erfahren hat, macht ihm die größte Angst, doch nur einer der „Vielen-zu-vielen“ zu sein, nicht der große Denker zu werden, für den er sich halten wollte, musste – für den die Welt und die Geschichte ihn halten sollten. Wer wäre da nicht dem kompensatorischen Größenwahn verfallen? Er rettet sich in seine Hinterwelt: Die zukünftigen Leser und Philosophen, das nächste starke, redliche, edle Geschlecht. Daher der Stolz und der Hass auf das Mitleid und die „Lehre von der Gleichheit“. Sich selbst musste er beweisen, dass dieser Wert keiner war, den er in Anspruch nehmen müsste. Der einsame Denker und seine Angst bloß doch nur Pöbel zu sein, reisender, schreibender, einsamer Pöbel – so oberflächlich wirkt seine Abneigung des Sklavenstandes in diesem Licht, so banal und einfach, so verständlich und alltäglich. Reines Ressentiment gegen die literarische Welt, gegen die Gesellschaft und ihr Rezeptionsverhalten. – Von den Frauen ganz zu schweigen…– Doch Unrecht hatte er nicht.


10.

25.01.2019

Verirrungen der Erkenntnis – „Die eigene Stadt kennt man doch am besten!“ – Die eigene Stadt erscheint so wohl bekannt, sie ist „Heimat“ und „Westentasche“. Doch jede Aussage des Einheimischen ist Schilderungen des Wohlbekannten, das zum Oberflächlichen wird, zu oft wurde es gedacht, zu selten durchdacht. Denn man ist der eigenen Stadt nicht fremd genug. Erst in der neuen Verirrung, oder im Gang zurück in die Kindheit sieht man sie wieder mit fremdem Blick, dem Blick der erkennen, entdecken kann. Der höchste Typus des Reisenden ist daher der Verirrte. Durch das völlige Flanieren, die völlige Verirrung erreicht er es frei vom Erkennen-Wollen zu sein. Der Instinkt, der das Erleben leiten muss ist allein führend – in der flanierenden Verirrung.


9.

25.01.2019

Sartres bester Gedanke – Es ist allbekannt, oder sollte es sein, dass der französische Existenzialismus fundamental von Nietzsche beeinflusst wurde. Mit-beeinflusst würde der Verehrer der französischen Jazz-, Sex-, und Alkoholliebhaber sagen, die ja auch Philosophie machten. Nein natürlich, auch Kierkegaard, der Geheimagent des Christentums und Heidegger, der charakterlose Nazi hatten unter anderem ihre Finger in der existenzialistischen Suppe – aus der ich Camus eindeutig hinauszähle, vielleicht manchmal mit dem Löffel in der Hand. „Da kam etwas ganz Neues, Radikales, Revolutionäres in die Philosophie, frisch, voller reicher, tiefer, dem Leben nahen Gedanken“, fährt der haspelnde Verehrer fort. Ich schweige davon, dass Sartre mit der philosophischen Tradition (Freiheit, Subjekt-Objekt, Ideen, Dialektik…) nur so um sich wirft – aber nicht als fortwerfen gedacht…! Schade ist es da doch, dass Sartres bester Gedanken nicht der seine war: „Der Aufrichtige ist der, der ist, was er ist und ist nicht ist, was er nicht ist, der Unaufrichtige ist all dies andersherum.“ Welch ein Geschwurbel beschrieben und umschrieben in einem 1000seitigen Buch, dessen Kern Nietzsche in einem Satz sagt: „Werde wer du bist!“ (Darin wird er in seinem Anspruch gerecht, in einem Satz zu sagen, was ein anderer in einem Buch sagt, oder in einem Buch nicht sagt.) Sartres bester Gedanke: schon lange da gewesen! „Aber all das andere, was Sartre noch sagte“, fällt der Verehrer mir ins Wort. Das andere? Was soll das sein? Die Propaganda und Bejahung für die russische Revolution und Stalins Gulags; menschenverachtende Gewalt für die bessere Welt des sogenannten „Kommunismus“? Osten lag wohl zu seiner rechten, dass er so schielend darauf blickte… Während das Dritte Reich wohl zu seiner Linken lag – die Kommunikation der beiden Augen schlug bei Sartre völlig fehl!… Peinlich und ironisch genug, dass er sich zur selben Zeit anmaß über die Menschenrechte zu sprechen – die „von Euch, den Europäern!“ mit Blut befleckt wurden – als er Frantz Fanon, den „Gefallen“ tat, ein Vorwort für ihn zu schreiben. Camus zum Lob gereicht, niemals in die Suppe gesprungen zu sein und auch das Abkosten in dem Moment gelassen zu haben, in dem der verzehrend, tötende, brutale Schimmel sie anfing zu überziehen – verbunden mit dem Glauben derjenigen, die darin badeten, bald würde sie schmecken wie keine Suppe zuvor. Letzterer, der Pessimist genug war, um die Realität dort drüben sehen zu können.


8.

25.01.2019

Das Dichten – Dichten ist Selbstoffenbarung und -Verhüllung zugleich. Keineswegs kann der Schriftsteller es vermeiden sich durch den Text zu zeigen, doch will er auch geheimnisvoll bleiben – und so balanciert er zwischen dem Zeigen des Eigenen, des Subjektiven, der eigenen Erfahrung und dem Verbergen seines Person und seiner eigenen Empfindung. Wie Foucault sagt: „es geht um die Öffnung eines Raums, in dem das schreibende Subjekt unablässig verschwindet.“ Beides leistet er durch Sprache; ihm dient dazu die Metapher, die ihn durch einen Schleier verbirgt und doch durchscheinen lässt, so dass der Leser ihn nur erkennen kann, wenn er den Schleier nicht zerreißt, sondern durch das Licht der Interpretation, die wieder sein Eigenes fordert, den Schleier semipermeabel macht. – Aber Vorsicht! Vergiss nicht, lieber Leser, dass nur ein Teil des Textes unter diesem Schleier liegt – der Rest ist frei von allem Zwange des Verfassers, offen für das eigene Auge… – Schlussendlich geht es soweit, dass der Autor sich auflösen muss, für das Werk, das Ewig bleiben darf, er tritt als Person völlig zurück – hinter sein Werk und aus der Welt, das nun ohne ihn auskommen muss. Doch schwingt er – nicht sein Leben – immer in ihm weiter.


7.

25.01.2019

Mnemotechnik der Unschuldigen – „Die Erinnerung an die Kindheit erzeugt doch ein Glücksgefühl für uns, weil wir in ihr angelegt finden, was wir sind.“ Doch was sind wir? Erstens welch Anmaßung das wissen zu können, zu wollen – und ist es auch nur das Motiv einer Handlung unseres Erwachsen-Selbst, dass wir meinen in der Kindheit angelegt zu finden. Mein Satz ist: Konsistenz und Kohärenz des Selbst ist Illusion. Das Erinnern als Weg zur Souveränität? Auch das „Souveräne Individuum“ macht sich was vor, nur besser als der Moral-Kriecher und Werte-Lecker. Teleologie des Selbst? – Benjamins eigene Souveränität, die sich in den Erinnerungen an das kindliche Berlin zeigen soll! Auch er ist nur Proust auf den Leim gegangen. Ich sage: Teleologie, Notwendigkeit, Stetigkeit und Bestimmtheit des Selbst – wer würde sich gar immer noch für ein Kind halten wollen? – ist bloß der Versuch die Verantwortung des Ichs auf die Unschuldigen abschieben zu wollen – alles Illusion und Inszenierung. Das ist mein wahres Wissen; denn schon in der Grundschule stellte ich mich jeden Tag mit einem neuen Namen vor!


6.

25.01.2019

Eindrücke der Akademie – Schlich man, um zum Haupteingang zu kommen, noch wie ein Eindringling an Müllcontainern vorbei, erhob sich schon da die mächtige Mauer des Gebäudes neben einem, bevor dann die ganze Pracht des alt-erscheinenden Gebäudes sich vor einem erhebt – wie alt es nun wirklich ist lässt sich kaum sagen. Doch selbst der Innenraum wird zur eigenen Erfahrung, schwingt doch die Architektur der Moderne in den Treppenhäusern mit – charismatisch fügt sich der Stahl an Hand und Fuß des Hinaufsteigenden. Verbote an den Wänden, die Studenten sollen es doch bitte unterlassen in den Baustoff einzugreifen, erscheinen eher wie hilflose Bitten, angesichts dessen, dass das Verbot schon an der nächsten Wand über Bord geworfen wird. Die Gänge scheinen zu Rumpelkammern zu werden und die Räume der Akademie zum Experimentierzimmer der darin Arbeitenden, Wohnenden, Hausenden!? Der Kopf des Künstlers scheint sich seinen Raum im Außen zu suchen; chaotisch, einvernehmende, erobernd doch liebevoll erscheint der Umgang mit den Räumlichkeiten dem unwissenden Besucher, der nun die Schilderung seines Eindrucks nicht über das Maß seiner kurzen Erfahrung hinaus strapazieren wird.


5.

22.12.2018

Kant vs. Büchner – Kant sagt: Revolutionen entstehen, wenn ein Volk sich für und wegen seiner Freiheit dagegen wehrt, dass ein Herrscher an ihre Rechte rührt, was er anhand der Französischen Revolution verdeutlichen will. Dies passiert nach ihm auch wenn das Volk gut genährt und machtvoll beschütz wäre und über nichts zu klagen hätte. Betrachtet man Büchners Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution in Dantons Tod, so ergibt sich ein anderes Bild. Bei ihm kommt es zur Revolution, gerade weil das Volk nach Brot lechzt, in Armut lebt, die Frauen und Töchter sich auf der Straße verkaufen, die Mütter dabei zusehen müssen, keiner mehr intakte Kleider hat. Dort heißt es: „An die Laternen mit den Aristokraten, an die Laternen mit jedem der ein Rock ohne Loch, ein weißes Taschentuch ohne Loch am Leibe trägt. Erst kommt das Fressen dann kommt die Moral“. Die Freiheit ist zwar eine Idee des Menschen, doch merkt man schnell: es reicht der Ungeist der meisten Menschen nicht aus, die Existenz dieser Phantasie dauerhaft zu prüfen. Gefangen jubeln sie über Freiheit, mag sie auch lange schon unter dem Tarn-Netz der scheinbaren Möglichkeiten, dass ihre Abwesenheit verhüllt, verschwunden sein; arm und abgemagert frönt sie einer Existenz in der verstaubten Verfassung. Der Mensch – wohl beleibt – denkt an keine Revolution; sich seiner Freiheit gewiss, muss nicht ihre Nahrung knapp werden, sondern erst sein Geld, und ganz zuletzt das Brot selbst, damit sich der Mensch aufschwingt auf die Palisaden, sich aus seiner Türe wagt und beginnt die Macht auf die Straße zu bringen; so dass sie schließlich dort liegen mag, bereit aufgehoben zu werden, um mit ihr die „Freiheit“ – den vollen Bauch – zurückzubringen.


4.

15.07.2018

Das Schreiben als Sammeln – Wie Benjamin schriebt, ist Sammeln ein Erstarrenlassen des Gedachten, der Erinnerung, der Bilder. Die reinste Form des Sammelns ist das Einpacken der Gedanken durch Tinte auf Papier. Sie auf das Blatt zu fesseln, sie dort als feste unbewegte Bilder zu fixieren. Es ist, sich selbst ins Buch zu bringen: über den besitzenden Kontakt fliest das eigene Leben hinein, ob es nun erworben oder geschrieben ist. So erscheint das Schreiben nun als Erweiterung des Selbst, was in der Holzkiste, den Regalbrettern des Bewusstseins keinen Platz mehr findet, muss in anderen, weltlichen verstaut werden. So schiebt der Platzmangel es langsam vom Brette herunter und es fällt auf den Boden der Welt. Es ist der extrabewusste Bilderkatalog, eine Enzyklopädie der Gedanken und Erinnerungen, festgeklebt auf Papier. Der Drang zu Schreiben ist eine innere „Überfülltheit“, es gilt Regale im Außen an die Wand zu nageln, wenn die inneren Wände voll sind.


3.

30.05.2018

So tauchte ich eben aus der Ideenlehre Benjamins auf, aus all seinem Mythischen, seiner Symbolik, seiner Sprache der Metapher; und fand in ihr eine neue Perspektive auf die Probleme der Sprache, die im Zusammenhang von Nietzsche und Hofmannsthal mir begegnet waren. Doch las ich sodann die ersten Worte Hegels in meinem bisherigen Leben in Form einer frühen Schrift und fand dort Benjamin, besser, richtiger: fand Hegel in Benjamin; blickte auf Hegel mit Benjamins Augen. Beide sprechen für die ästhetische Philosophie. Bei Hegel ist es die Philosophie des Geistes, die eine solche sein soll; die sich gegen „Buchstabenphilosophen“ wendet: Die Idee muss ästhetisch werden, es braucht eine Mythologie der Vernunft; die Philosophie muss mythologisch werden, die Mythologie philosophisch, Wahrheit und Güte sich in der Schönheit verschwistern. Bei Benjamin ist es der „esoterische Essay“, der gegen jedes System sich richtet und von einer Philosophie zwischen Wissenschaft und Kunst spricht. Denn nur in der künstlerischen Darstellung kann auch die Idee sich offenbaren. So tritt in beiden Stimmen und Worten die ästhetische, darstellende, dichtende, poetische, metaphorische, mythologische Philosophie mir entgegen und bietet sich als Lösung mir an. – Doch soll ich sie ergreifen? – wo doch die wahre Welt zur Fabel wurde.


2.

9.2.2018

Phänomenologische Beobachtung einer Jazz-Band – Einzelne Töne sind zu hören, knarrend und quietschend. Man stimmt, man probiert, man findet. Der Pianist, den Mund rund zuspitzend, murmelnd den Song vor sich hin, der sogleich erklingen soll. Er beginnt auf zwei und vier zu schnippen. Seine dunklen Augen schauen auf, in die Gesichter der anderen Musiker; er sucht nach ihren Augen. Allgemeines Zunicken. Der Daumen und der Zeigefinger vollführen weiter ein klickendes Geräusch, er beginnt laut zu zählen: „And one…, and two…, and one two three…“, die letzte Zahl des vorlaufenden Taktes, bleibt verschollen, denn er legt seine Hände auf die weißen und schwarzen Tasten vor sich, die linke Hand senkt sich, der erste Ton erklingt. Ein trillern, schneller beginnend, sich vorsichtig verlangsamend, erklingt unter seinen langen Fingern, die über die Tasten streichen, sein Mundwinkel zuckt, er blickt auf. Der große Bassist, den noch größeren Bass an seine linke Schultergelehnt, umarmt diesen, beginnt seine Seiten im Walking-Bass Schwingen zu lassen, die dicken Finger huschen schnell über den braunen, zarten doch dicken Hals, der zu dem massigen, hölzernen, brummenden Körper gehört, der geradezu knallt, wenn  die Umarmung etwas gröber wird. Der Saxophonist erhebt sein Instrument; das Piano, versimplifiziert sich zu einzelnen Sprüngen, gegen den Takt. Der Saxophonist macht große Augen, schließt sie, sein Fuß wippt, und er taucht ein in das Thema. Sein Knie wippt, die Stirn ist krausgezogen. Geht es in die hohen Töne folgen seine Brauen. Der Trompeter leckt sich die Lippen, setzt langsam an, und prustet in das Mundstück, helle Töne, die sich von dem dunkleren Thema des Saxophons abheben, ihm entgegengesetzt sind. Seine Augen quellen hervor, die Backen sind nicht aufgeblasen, sondern stramm und gespannt, um die Luft mit Kraft in das Instrument zu befördern. Langsam erschallt ein heller aber rhythmischer Klang: „Tzing, tzingzitzing…“ Mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper lässt der Schlagzeuger, das Handgelenk immer wieder anwinkelnd und ausstreckend, seinen Stick auf das Ride-Becken fallen, der linken Fuß wippt auf zwei und vier auf der Fußmaschine, lässt die Hi-Hat, zwei Becken, die sich durch einen pedalgesteuerten Mechanismus zusammendrücken lassen, zusammenschnappen. Er hat den Mund leicht geöffnet, blickt jetzt ins Leere, seinen rechten Arme schlaksig, auf und ab, hin und her bewegend. Nun tritt sein linker Arm in Aktion, spielt in kurzen Wirbeln und zarten Schlägen die Snare, niemals auf die ganzen Noten, sich dem Piano in seinen kurzen Sprüngen und rollenden Bewegungen annähernd. Die Bläser schwingen ihre Instrumente auf und ab, ihre Füße wippen, ihre Knie heben und senken ihre Körper im Takt. Das Thema gelangt auf seinen Höhepunkt, sie heben und senken ihre Instrumente, lecken sich die Lippen, sobald sie eine Pause haben, atmen, in regelmäßigen Abständen ein, wann immer es die Melodie zulässt. Dann bricht die Spannung ein, Bass und Schlagzeug halten den Rhythmus, das Piano trällert den Beginn seines Solos. Während der Pianist die Stirn runzelt, bewegt sich sein Körper vor uns zurück, immer wieder muss er den Sitzplatz auf dem langen Klavierhocker verschieben, um den Ansprüchen der Tonleiter nachzukommen. Seine Zungenspitze spielt in seinem Mundwinkel, die Augen sind auf die Hände gerichtet. Diese schlagen auf die Tasten, schnellen von einem Ende zum nächsten, ziehen sich die gesamte Klaviatur entlang, um den Lauf mit einem schmetternden Akkord zu beenden, werden wieder minimalistisch, spielen kurze Akzente, einzelne Töne, klirrend, von Zeit zu Zeit disharmonisch. Immer wieder fallen sie in den Schoß ihres Besitzers zurück, als würden sie ausruhen, ihren nächsten Schritt planen. Dann ein letztes Mal brechen sie aus, stürzen über die Tasten, verweilen hüpfend zwischen Zweien, wieder zur anderen Seite; die linke Hand spielt einzelne Akkorde, abwechselnd tragend und akzentuiert. Dem Pianisten läuft etwas Schweiß die Stirn hinunter. Die Blasmusiker stehen wippend, schnippend, blicken ihn an, blättern in ihren Noten, flüstern sich gegenseitig etwas zu, schrauben an ihren Instrumenten herum, blicken ins Publikum, während Bass und Schlagzeug seelenruhig und stetig fortfahren, die tragende Grundlage zu halten. Immer wieder blicken sie sich an, nicken sich zu, verschieben gemeinsam den Takt, was sie durch aufgerissene Augen anzeigen; manchmal wird ein lächeln ausgetauscht, das kaum merklich über ihre, nun auch etwas nassen Gesichter huscht, die sonst sehr entspannt bleiben. Dann plötzlich verebbt das Klavierspiel, mit einem letzten aufbäumen, wobei der Zeitpunkt einem ungeschulten Ohr nicht vorrausehbar ist, doch es ist das Ende eines Chorus. Der Pianist blickt zum Saxophonisten, hebt die brauen, kehrt in die akzentuierte Rhythmik zurück, findet wieder mit Bass und Schlagzeug zusammen. Das Saxophonist hebt sein Horn, quietschend schreit es in die Höhe, verstummt, dann klettert es die Leiter hinauf, bis zu einem noch höheren Kreischen, wie eine sich brechende Stimme, der Musiker läuft rot an, auch bei ihm beginnt der Schweiß zu strömen. Er senkt sein Instrument, verfällt in eine Melodie, die sich dehnt wie eine zähe Masse, dann hüpft und federt, dann völlig liegen bleibt, auf einem Ton. Wie vorher bereits rückt die Band in den Hintergrund, wird zur Grundlage des Besonderen, nur noch einzelne Akzente reißen die Aufmerksamkeit des Zuhörers, die völlig auf den Solisten gerichtet ist, auf die Basismelodie. Mit einer finalen, sich überschlagenden Tonleiter verstummt auch das Saxophon. Der Schlagzeuger spielt einen wirbelnden Fill-in, zurück ins Thema, die Gesichter erhellen sich gemeinsam, die bekannte Melodie wird zur Erleichterung, ihre letzten Töne wiederholen sich mehrere Male. Dann kommt alles mit einem letzten gemeinsamen punktierten Rhythmus zum Ende, worüber die Trompete eine Fanfare erklingen lässt. Zusammen, mit tragenden Becken und langen Tönen verstummt der Klang endlich.

1.

24.1.2018

Wieder einmal sitze ich in diesem luftleeren Raum, kotze meinen jungen Geist in das Vakuum der Einfältigkeit, wo mir meine Worte echo—haft entgegenhallen. Umgeben von Pappgestalten: vollgeschmierte Porzellangesichter, die wie aufgehängte Tonbänder in den Raum sabbern; aufgenommen und abgespielt. Ihre glatten Fratzen schreien vor Schmerz des Bürgerlichen; beim inneren Ausbluten, das bloß eine leere Hülle zurücklässt, sich schlangenhaft von einem Ideal auf das nächste werfend, stinken sie aus ihren Mündern nach vergammeltem Leben und Persil. Während sie ihr Gehirn in den Eimer des Konsums scheißen, stehe ich im Dunkeln, geblendet von Autolichtern; es implodiert mein Kopf vor erdrückend-beglückender Fremde. Hell erleuchtet strahlt meine Freiheit in dunkler Arroganz, gespiegelt in verbranntem Gras, Kristallen und Export. Aus meinen Taschen schreien mir Kleist, Nietzsche und Kerouac den Nihilismus meines Schicksals entgegen, während mein Herz sich im reißenden Strom der Musik auf die wogenden Arme der Menge wirft. 

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