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Bilder eines Festivals

Der Versuch einer sprachlichen Darstellung bildhafter Eindrücke eines Festivals.

Warteschlange – Riesengroß durchzieht sie das gesamte Gebiet. Die Massen, die in ihrem Maul verschwinden, scheidet sie unweit wieder aus. Langsam nur bewegt sie sich fort, in immer gleichem Trott. Doch ist ihr Hunger zu groß, da lässt sie von Fraß und Trank nicht ab. Wo immer sie ihren Abfall deponiert, schon ist er fort. Unersättlich zieht sie ihre Bahnen, jeder sieht sie, wird von Zeit zu Zeit von ihr verschlungen, ungeduldig ihr zu entrinnen, doch zieht sie alle unerbittlich an. Abstoßende Majestät, alle beten sie an, ungewollt und unbewusst; so wird sie zum allgegenwärtigen Tyrann. Unterjocht sie alle, die dort und hierher taumeln, in Ekstase im Staube zappeln. Doch bald schon zeigt sich in jeder Ecke der lange Leib und bringt den Rausch zur Strecke.

Organisation – Wohin, woher, das weiß ein Niemand, der allgegenwärtig die Lande durchdringt. Es ist kein Jeder, sondern Schattengestalten. Nicht dieser, der dort nackt sich räkelt, auf hohem Posten sich über die Menge erhebt, nicht jener, der die Nase gesenkt, sich neue Energie ins Gehirne versenkt. Unten am Boden erscheinen die Schatten, vom Lichte der Masse stets verdeckt. Doch auch erzeugt dieselbe diesen. Die Sonne scheint nieder auf die Menge, die stolz blickt durch ihre Brille. Was sie nicht sieht und wissen will, sind die Schatten ihrer Gestalt, die vor ihr kriechen, unbemerkt und überall. So verschwindet Abfall, so erscheint gute Kost, so dröhnt weiter Melodie und Bass, so darf und kann sie weiterleben. Die Ströme, wie sie durcheinanderziehen, geleitet durch unsichtbare Bahnen, die keiner kennt. Es gibt ein Niemand, der so viele ist und fliegt über alle und keinen trifft.

Die Masse – Ein jedes Individuum findet darin seinen Platz. Und ist es auch bloß Illusion, findet die Individualität für es dort statt. Die Individualität wie auch die Kollektivität werden doppeldeutig. Allein steht jeder dort, bewegt sich auf Sand und Boden alleine zum Klang. So vereinzelt und doch erblickt der Mensch neben sich sein Ebenbild, den „man tanzt“. Er weiß es nicht und will es nicht. Er geht auf in der Masse, er meint sich in ihr zu finden, doch findet er darin nicht sich, sondern nur jeden. Um ihn wabert der Niemand, um ihn fließt jeder, es umspült ihn die Menge. Ertrinken wird ihm zum Saufen, der Tod ihm zum Rausch. Was jubelt er doch ohne Besinnung, was treibt ihn dazu an: Sich erhoben zu fühlen doch nicht allein, wird sein Untergang.

Bild: F.R. 2018