Der Himmel ist heute wieder ungewöhnlich blau.
Bienes Mitbewohner wollen nicht recht glauben, dass diese Anhäufung undurchbrochenen Blaus in den letzten Wochen eine fast magische Wirkung auf die Menschen haben muss. Wundern tut es allerdings keinen, dass sie die einzige zu sein scheint, der das Ungewöhnliche an dem Blau auffällt-ihre Augen sind einfach etwas anders.
Ein leises Klirren lässt Bienes Blick von den blauen Quadraten zwischen Dachfirsten draußen und oberen Rand des Bürofensterrahmens drinnen abweichen. Da war es wieder.
Dieses Geräusch
der mit den hektischen Radierbewegungen eines Armes sanft mitklappernden Kaffeetasse auf dem Schreibtisch neben ihr macht sie mittlerweile halb wahnsinnig. Und dann auch noch das Blau draußen.
Doch die Architekten zeichnen drinnen zwischen den Wänden andere Wände die perfekten Wände die Quadrate, die Träger
das Radiergummi wetzt das Milimeterpapier durch
es ist unerträglich
Biene würde sich lieber mit Artenschutz beschäftigen.
Wobei sie das Radiergummi auch als eine echte Rarität im Gefüge der Realität betrachtete.
Es ist wirklich einzigartig. Eine surreale
Escapetaste zurück zum Weiß dem Absoluten Reinen Perfekten. Weiß. Der Illusion an sich. Eine Verdeutlichung des Hamsterrrads der Flucht vor dem wirklich Absolutem, der Wahrheit, dem, was wir nicht schön finden, dem Tod.
Biene weiß schon seit einer Weile, dass sie selbst zu einer vom Aussterben bedrohten Art gehören muss.
Sie fragt sich schon lange, ob der Name sich nach dem Kind richtet oder ob nicht tatsächlich das Kind seinen Namen formt, wenn der erste Versuch nicht zu passen scheint. Fast sicher ist, dass sie selbst zu ihrem Namen geworden ist.
Eigentlich wünscht sie sich nur Ehrlichkeit.
Ihren Kaffee trinkt sie am liebsten,
wenn er den metallisch-scharfen Geschmack des Kaffeekännchens angenommen hat, nachdem er mehr Zeit in dem Aluminiumgehäuse verbracht hat als für die meisten Menschen üblich. Und der Geruch nach Kinderpipi im Treppenhaus stört sie überhaupt nicht. Denn die Wahrheit ist, der Spielplatz ist zu weit vom 11. Stock, wenn es
mal dringend ist.
Riecht ja auch lange nicht so wie von ‚Erwachsenen‘
die sich weigern, unter blauem Himmel zu zeichnen
sich lieber in ihren weißen perfekten Quadraten anderen verzweifelten Illusionen hingeben, weg-radieren, als müssten sie sich einfach niemals dem stellen, was sie angerichtet haben.