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Städte Richtung Osten

Wien – Weißer Stein bestimmt diese Stadt, dem goldene Verzierungen anhängen, als ob sie sich der Majestät der Gebäude anbiedern wollten. Die Macht, die diese Gebäude schon in ihrer bloßen Größe ausstrahlen, steht über jeder Dekoration. Die Verzierungen scheinen sie mit einem lässigen Wink der Hand anzunehmen, doch einer ehrlichen Aufmerksamkeit sind sie nicht würdig. So stehen sich das Kunst- und Naturkundemuseum wie Giganten gegenüber, als würden sie sich gegenseitig mustern. In einer Manier, die aussagt, dass der Gegenüber ein anerkannter Feind ist; ein Feind, den man liebt und dessen Existenz die eigene zwar in Frage stellt, durch das Kräftemessen aber mitbegründet. Die hunderten, etwa zwei Meter hohen und artig beschnittenen Büsche, die den Park, der zwischen den Herren des Platzes liegt, säumen, machen sich aus wie Bedienstete, welche den Menschen, die der heißen Sonne ausgesetzte sind, mit Schatten dienen. Unbeweglich und treu halten sie sogleich den Abstand zwischen den befreundeten Feinden, und es lässt sich ihr Friede daran erkennen, dass die Untertanen zu beiden gleichermaßen zu gehören scheinen.

Im Wandeln durch diesen hellen Stein der überall in der Stadt sich königlich erhebt, mit seinen jugendstilistischen Verzierungen, die selbst die U-Bahnhöfe säumen, scheint die Armut in diesen Straßen völlig unmöglich und so ergreift der Anblick eines Obdachlosen den Spazierenden mit Irritation, auf das ein Erwachen folgt; und so findet er sich plötzlich wieder in einer Großstadt, die doch nicht so anders ist. Mit jedem Tag blättert etwas Gold von den Wänden und Staub und Dreck setzen auch dort sich ab – und souveräne Herrschaft wird zur Tyrannei.


Budapest – Über ein jedes Viertel regiert ein Gotteshaus, lässt es in seinem Ton erklingen, der sich durch die Straßen zieht. Dissonanz erzeugt der Fremde, der zum Taktstock des Orchesters wird, die Stadt nun nach ihm tanzen lässt: Der Tourist. Unter allem schwebt der Grundton des Arbeiter- und Soldatenideals, kommt hervor auf den weißen hellen Plätzen, die dunkle Statuen säumen: Denkmäler den Tapferen und Aufopferungsvollen. Doch trägt der Platz selbst die dunkle Vergangenheit; Der Tod kam damals aus dem Palast, der groß und hell sich dem Flussufer darbietet; faule Soldaten stehen wie ungewollte Bastarde um ihn. Verblasst und fade glänzt seine vergangene Herrlichkeit, spiegelt sich im Fluss. Die Stadt erglänzt in einem heruntergekommenen Schein, altes bleibt altes und erfährt Ehrung. Die Schienenbahn leistet Vermittlung: Die Fahrt im jugendstilistischen Alten, wird zum bergigen Blick aufs Neue.

Nackte engelsgleiche Knaben und Frauen mit entblößten Brüsten, Wasserkrüge in den Armen, lassen warmes Wasser fließen, eingefroren und versteinert konservieren sie die Zeit in grünen nassen Hallen; schimmervoll wird das Wasser zum Spiegel einer vergangenen Zeit; hinein blickt die Stadt.


Belgrad – Chaotisch erscheint das Stadtbild, doch nicht aufgrund des Verkehrs, oder der Menschenmassen: Kirchen stehen neben Polizeistationen und alten Straßenbahnlinien, die am Ufer des Flusses entlanglaufen, während die Stadt zum Inneren hin hügelhaft ansteigt. Überwuchert von heruntergekommenen Wohnhäusern, vor denen alte antikwirkende Treppen stehen. Diese führen in einen Park, in denen alte Menschen Volkstänze zu Akkordeon-Musik schunkeln, ihre brüchigen Körper lassen die Trauer des Alters in alten Latschen, die im Takt über den Boden schlürfen, verschwinden. Bewacht werden die Alten von den Posten des Tourismus, die militärische Mützen und Orden und Shirts mit Stalinbildern den spazierenden Fremden feilbieten. Verschiedene Farben ergeben eine chaotische Symmetrie, die das Auge zugleich angenehm berührt, doch fühlt es sich dazu großväterlich getrimmt. Die Parks: das im Schatten liegende Heer eines entspannten Offiziers, der mit wohlwollendem Blick und einem sonnengebräunten Lächeln auf seine Untertanen herabschaut, die ihn in einem guten Licht erscheinen lassen – in ihrem Nichtstun. Der Offizier: das Fort aus braunem Stein, dass über der Stadt thront, lange schon im Ruhestand, doch vielbegangen, mit Cafés bestückt, in denen auf den Wallmauern anstatt Kanonen Tische mit Sonnenschirmen stehen, begleitet von Musik und dem Genuss der Touristen an starkem Kaffee. Die Uniform ist schon etwas heruntergekommen, da sie im Kampf schon lange nicht mehr bestehen muss, als würde sie in einem vernachlässigten Museum hängen, dass für alte Siege und Ehre steht, getragen mit Stolz, doch ohne wirkliche Sorge um entstehende Ausfaserungen.

Die Wohnhäuser deren schmutzige Fassade von Armut im inneren zeugt, lassen sich hinter der Werbung für Breitlinguhren kaum erkennen, auf denen sämtliche aktuelle Schauspieler ihre Handgelenke bei Whisky in Schwarzweis und Gold präsentieren. Gegenüber, feuchte, schattige Straßen, über die alte Brücken führen, auf denen die Menschen auf den Bus warten, der sie auf die andere Seite der Brücke und des Flusses führen soll.

Der Fluss spiegelt rein die Sonnen, die alle verbrennt, doch trennt er Klassen, Innen- und Vorstadt, Touristen und Einwohner. Die Brücken führen nach Нови Београд, das ebenso hell und unpassend das Licht reflektiert. Eine Wüste aus Beton, durchdrungen vom Schmutz der Abgase, der sich an den hellen Stein heftet; durstig begegnen einem die Menschen, deren Hoffnung an den Sozialismus verfallen ist wie die riesigen Blocks, die damals das Glück mit Gewalt als Beton zu den Bewohnern bringen sollte. Vor Reihen von blankem Stein, die wie matte Gesichter in die Sonne blinzeln, zeichnen sich elektronische Werbetafeln ab, die den Wunsch nach einem Duft anpreisen, den die Bewohner schon lange in den kaputten Spielplätzen der Parks im Anblick ihrer Kindern aufgegeben haben.


Foto: Geschossen von F.R. in Belgrad

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